„Komm, Schöpfer Geist“, so beginnt ein alter Hymnus aus dem 9. Jahrhundert, der dem heiligen Rabanus Maurus zugeschrieben wird. Er gehört zu den wenigen Gebeten in der westkirchlichen Liturgie, die dem Heiligen Geist gewidmet sind.
Die lateinische Version des Hymnus findet man im Gotteslob unter der Nr. 341. Eine deutsche Übertragung von Heinrich Bone aus dem Jahr 1847 ist unter Nr. 351 abgedruckt und um eine Neutextierung des Hymnus handelt es sich bei der Fassung von Friedrich Dörr unter Nr. 342.
Interessant ist, dass den einzelnen Strophen die Gaben des Heiligen Geistes zugrunde liegen, ohne dass diese jeweils ausdrücklich genannt werden. Festgestellt hat das 1979 der Sprachwissenschaftler Heinrich Lausberg, der den Hymnus genau unter die Lupe genommen hat. Beim Blick auf die einzelnen Strophen nach der Fassung von Heinrich Bone ergibt sich folgende Zuordnung:
Komm, Schöpfer Geist, kehr bei uns ein, besuch das Herz der
Kinder dein, erfüll uns all mit
deiner Gnad, die deine Macht
erschaffen hat.
Aus dem Begriff Schöpfer und die dem Geist zugeschriebenen Macht ergibt sich von Seiten des menschlichen Geschöpfs die Haltung der Gottesfurcht/Demut.
Der du der Tröster wirst genannt, vom höchsten Gott ein
Gnadenpfand, du Lebensbrunn, Licht, Lieb und Glut, der Seele Salbung, höchstes Gut.
Die Namen, die dem Heiligen Geist hier gegeben werden, verweisen auf die Frömmigkeit des Menschen gegenüber Gott.
O Schatz, der siebenfältig ziert,
o Finger Gottes, der uns führt, Geschenk, vom Vater zugesagt, du der die Zungen reden macht.
Mit dem „Zungen reden machen“ oder wie Friedrich Dörr neu textiert „du öffnest uns den stummen Mund“ ist die Gabe der Wissenschaft/Erkenntnis gemeint.
Entzünd in uns des Lichtes Schein, gieß Liebe in die Herzen
ein, stärk unsres Leibs Gebrechlichkeit mit deiner Kraft zu jeder Zeit.
Es ist die Gabe der Stärke, mit der die Gebrechlichkeit des Menschen oder mit Dörr ausgedrückt „unser schwaches Fleisch und Blut“ geheilt werden kann.
Treib weit von uns des Feinds Gewalt, in deinem Frieden uns
erhalt, dass wir, geführt von deinem Licht, in Sünd und Elend fallen nicht.
Das Licht steht für die Gabe des Rates, die den Menschen „auf rechter Bahn“ hält (Dörr) und vor Sünd und Elend bewahrt.
Den Vater auf dem ewgen Thron lehr uns erkennen und den Sohn; dich, beider Geist, sei’n wir bereit zu preisen gläubig alle Zeit.
Mit der Gabe des Verstandes/der Einsicht erkennt der gläubige Mensch durch den Heiligen Geist den Vater und den Sohn.
Die siebente Strophe, die im Gotteslob nicht abgedruckt ist, beinhaltet eine Doxologie an die gesamte Trinität. Diese bezieht sich auf die Gabe der Weisheit. Immer wieder wurde der Hymnus vertont. Zunächst einstimmig im Gregorianischen Choral. 1589 knüpft Giovanni Pierluigi da Palestrina in seiner Vertonung des Veni creator spiritus an diesen an, indem er jede Strophe zunächst einstimmig beginnen und dann in die Polyphonie übergehen lässt. In der letzten Strophe, der Lobpreisung Gottes, erweitert er den vierstimmigen Satz um eine weitere Stimme und lässt damit sozusagen den Heiligen Geist noch hinzutreten (Aufnahme 1).
Noch polyphoner wird es im Vokalwerk des heute fast in Vergessenheit geratenen Regensburger Domorganisten Joseph Renner jun. (1898).
Er lässt den Hymnus in acht Stimmen erklingen (Aufnahme 2).
Musik, die „begeistert“!
— Andreas Steffel