Rückblick

Mehr Lebensnähe gefordert

Hermann Wohlgschaft sprach über notwendige Kirchenreform

Über das, was sich in der katholischen Kirche verändern muss, um auch in Zukunft noch Menschen ansprechen zu können , sprach der Augsburger Diözesanpriester Dr. Hermann Wohlgschaft auf Einladung der Katholischen Erwachsenenbildung im Katholischen Gemeindehaus vor einem äußerst interessierten Publikum. Entlang an 12 Thesen, die er auch in seinem kürzlich erschienen Buch mit dem Titel „Keine Ausflüchte mehr! – Gedanken zur notwendigen Kirchenreform“ entfaltet, ging Wohlgschaft zunächst darauf ein, welche Aspekte und Orientierungen eine unbedingt anstehende Kirchenreform beinhalten sollte. Dazu gehört für ihn zunächst ein glaubwürdiges Reden von Gott. Laut Wohlgschaft müsse dieses „dem heutigen Menschen helfen, im Dasein einen Sinn zu entdecken und zu einer Hoffnung zu finden, die die physikalische Wirklichkeit ernst nimmt und sie zugleich übersteigt“.

Für besonders problematisch hält er die Kirchensprache, die als eine Art kirchliche Insidersprache von der Lebenswelt der Menschen abgekoppelt sei. Man brauche geradezu einen Dolmetscher, um etwas zu verstehen. So könne man dann heute im Gottesdienst auch nicht mehr einfach die Texte des Messbuchs vorlesen, sondern das Evangelium müsse in anschaulicher Art und Weise vermittelt werden. Mit den Dogmen der Kirche verhalte es sich ähnlich. Wenn diese nicht mit neuem Leben erfüllt und neu verständlich gemacht würden, hätten sie ihre Bedeutung als Lehrsätze verloren und würden zu bloßen „Leersätzen“.

Deutlich sprach sich Wohlgschaft für die Aufhebung des Pflichtzölibats und der Einführung der Frauenordination, für eine offenere Sexualethik, für mehr Demokratie und Weiblichkeit in der Kirche, für wirksame Maßnahmen gegen Missbrauch und Gewalt sowie insgesamt für einen anderen Ton in der Kirche aus, welcher sich zum Beispiel auch im Umgang mit Geschiedenen und Wiederverheirateten zeigen müsse. Aus traditionalistischen Kreisen würde ihm wieder vorgeworfen, dass er sich mit seinen Forderungen nur dem modernen Zeitgeist anpassen würde. Doch darum, so Wohlgschaft, gehe es ihm nicht. Vielmehr handele es sich um Reformansätze, die schon seit dem II. Vatikanischen Konzil vorhanden seien und es sei an der Zeit, sie aufzugreifen, zu vertiefen und entsprechend weiterzuentwickeln. Außerdem seien seine Forderungen bibel-exegetisch abgedeckt. Und er sei sich sicher, dass viele Bischöfe in Deutschland seine Ansichten weitgehend unterschreiben würden, dies aber so in der Öffentlichkeit nicht äußern könnten.

Ebenso dringlich wie strukturelle Veränderungen in der Kirche sei aber auch die innere Erneuerung, so Wohlgschaft. Diese könne gelingen, wenn sich die Kirche wieder stärker auf die ursprüngliche Botschaft Jesu besinnt. Aufgabe von Kirche und Christen sei es, die Erinnerung an Jesus lebendig zu erhalten, sich an der zutiefst menschlichen Lebensart Jesu zu orientieren und die Sache Jesu, also die Botschaft der Liebe Gottes, in der heutigen Welt zu vertreten und sich für das Leben, das ungeborene wie das geborene, einzusetzen.

Dieser Auftrag setze allerdings voraus, dass man davon überzeugt sei, dass es eine Führung Gottes gibt. „Nur wer Jesus persönlich begegnet ist, kann glaubhaft verkünden“, betonte Wohlgschaft. Auf die Frage aus dem Publikum, wie man Christus erfahren kann, empfahl Wohlgschaft das persönliche und meditative Gebet, das Lesen der Texte der Heiligen Schrift und das Gespräch über diese sowie den Besuch des Gottesdienstes. Dies begünstige Gottesbegegnung. Häufig seien es aber auch andere Menschen, die einem zur Begegnung mit Gott führen. Und so fügte er an, eine sogenannte „Magdalenensekunde“, ein blitzartiges Aufleuchten der Wirklichkeit Gottes, kann uns immer und überall geschenkt werden.

In der Diskussion wurde geäußert, dass seine Forderungen doch mehr oder weniger einfach an Rom abprallen. Darauf antwortete Wohlgschaft, es sei nicht so, dass sich gar nichts bewegt. Papst Franziskus hätte schon bestimmte Marken gesetzt, hinter die man nicht mehr einfach so zurückkönne. Außerdem gäbe es im Vatikan auch sehr gegensätzliche Strömungen. Mitentscheidend für das, was komme, sei seiner Ansicht nach, „ob auf Papst Franziskus, Benedikt der XVII., Franziskus II. oder Johannes Paul III. folge“. Und er schloss in humorvoller Weise an, dass man eine gewisse Gelassenheit bewahren sollte, man müsse ja schließlich auch auf seine Gesundheit achten.

Interessant wäre es noch gewesen, zu fragen, was seine Ansätze für die konkrete Arbeit in den Kirchengemeinden bedeuten, doch leider waren im Publikum kaum hauptamtliche kirchliche Mitarbeiter und Laienvertreter aus den kirchlichen Gemeindegremien vertreten.

Programm Februar – September 2024

herunterladen