Rückblick

Nicht wiederbeleben, sondern radikal neu anfangen

Studentenpfarrer Burkhard Hose erläuterte seine Vision für eine Kirche der Zukunft

 Auf großes Interesse stießen die Überlegungen des Würzburger Studentenseelsorgers Burkard Hose über eine zukunftsfähige und menschenzugewandte Kirche. Rund achtzig Personen folgten der Einladung der Katholischen Erwachsenenbildung in die katholische Kirche nach Weikersheim. Überschrieben war die Veranstaltung mit dem provokanten Satz „Warum wir aufhören sollten, die Kirche zur retten“, welcher auch die Titelseite eines aktuell von Burkhard Hose verfassten Buches ziert. Gleich zu Beginn machte er deutlich wie und warum er zu dieser Ansicht gelangt ist. Dazu zitierte er einen Satz von Kardinal Reinhard Marx. Auf der Herbstvollversammlung der deutschen Bischöfe in Fulda im September 2019 sagte dieser beim Eröffnungsgottesdienst: „Viele glauben uns nicht mehr.“ Und dabei wirkten die Bischöfe drumherum auf ihn, so Hose, wie müde und erschöpfte Hirten, die keine Schafe haben. Diese Situation spiegle, laut Hose, genau die aktuelle Lage der Kirche wider. Die Kirche habe nach dem Bekanntwerden der Missbrauchsfälle ihre Glaubwürdigkeit, von der sie letztendlich lebt, verloren. Immer weniger Menschen würden ihr vertrauen und so stehe sie buchstäblich in Trümmern. Er glaube zwar schon, dass die Bischöfe über das Ausmaß des Missbrauchs ernsthaft erschüttert waren und viel in Sachen Prävention unternahmen, doch das Thema „Macht in der Kirche“ wurde nicht angegangen. So könne von einer wirklichen „Erneuerung der Kirche“ keine Rede sei. Er sehe vielmehr nur hilflose Versuche der Wiederbelebung eines gestorbenen Systems. Er verglich die Kirche mit einem Verwaltungsgebäude, das keine Türen nach draußen hat, sondern ständig mit ihrem eigenen Überleben beschäftigt ist und versucht, den Priestermangel irgendwie zu managen. Für diese Art von Kirche interessiere er sich nicht mehr, stellte Hose fest. Ihn treibe vielmehr die Frage um, welche Bedeutung das Evangelium für die aktuellen gesellschaftlichen Themen wie existenzielle Verunsicherung, politische Spaltung, rasanter Klimawandel und wachsende Kluft zwischen Arm und Reich hat. Als Christen müssten wir überlegen, was wir Positives zur Bewältigung dieser Herausforderungen beitragen könnten.

Er selbst verspüre angesichts der desolaten Situation von Kirche weder Mitleid noch Traurigkeit, sondern vielmehr eine neue Lebensenergie, nicht aber um die alte Kirche zu retten oder wiederzubeleben, sondern um etwas völlig Neues anzudenken, nämlich wie man das Evangelium in der Gegenwart neu leben und nicht wie man Altes bewahren kann. Orientierung könne dafür Jesu Botschaft vom Reich Gottes geben, welche programmatisch so etwas wie das Gegenmodell zu einer alles kontrollierenden und bewahrenden Institution wie der katholischen Kirche entwirft. Die Gleichnisse von der selbstwachsenden Saat und vom Senfkorn im Markusevangelium predigten eindeutig die Prinzipien „Alles wachsen lassen!“ und „Keine Angst vor unkontrolliertem Wachstum!“. Demnach, so folgerte Hose, sollte sich Kirche nicht so sehr auf das Bewahren und Überwachen konzentrieren, sondern Kontrollverlust zulassen, so dass Neues entstehen kann.

Er denke da beispielsweise an für alle offene Mahlfeiern. Dabei stellte er die Frage in den Raum, ob dadurch wirklich etwas verloren gehen würde. Auch eine Art doppelte Kirchenmitgliedschaft könne er sich vorstellen. Außerdem müsse es offenere Grenzen geben, denn das reine Mitgliedsmodell wie in einem Verein, sei überholt. Austausch und Zusammenarbeit mit Menschen, die Sympathie für die christlichen Werte oder für die christliche Spiritualität hätten, auch wenn sie keine Kirchenmitglieder seien, sei ebenso notwendig. Auch die bisherige Sakramentenkatechese mit ihrer Fixierung auf Kirchenbindung müsse überdacht werden. Interessant wäre es gewesen, diese Überlegungen noch zu vertiefen und danach zu fragen, was diese ganz konkret für das Kirche- und Christsein bedeuten.

Für seine Haltung erhielt Burkhard Hose viel Zuspruch von Seiten des Publikums, doch es wurde auch darauf hingewiesen, dass das Beschreiten neuer Wege von der Amtskirche in Rom doch ziemlich ausgebremst würde. Herr Hose wünschte sich hier mehr Mut von den deutschen Bischöfen und auch seinen Priesterkollegen, von denen viele seine Ansichten unterstützen würden.

Programm Februar – September 2024

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